2007: Tagung in Feldafing

Gespeichert von heinrich am Mi, 08/02/2017 - 19:15

XVI. Traditionelles Internationales Pferde- und Fahrsymposium

Das XVI. Traditionelle Internationale Pferde- und Fahrsymposium unserer Vereinigung fand in diesem Jahr in Feldafing am Starnbergersee im Hotel „Kaiserin Elisabeth“ vom 2. bis 4.3.2007 statt. Die malerische Voralpenregion beeindruckte bei herrlichem Sonnenschein mit einem märchenhaften Panorama.
Insgesamt waren waren 110 Teilnehmer aus dem In- und Ausland angereist wobei unsere Schweizer Mitglieder besonders zahlreich vertreten waren.
Bereits am Freitagnachmittag den 2. März 2007 trafen sich die Interessierten bei dem Garanten für Pferde und Fahrkultur in der Fuhrhalterei von Andreas Nemitz in Pähl, Kerschlach 6. Der Europäische Langstreckenfahrer und hundertfache Alpenüberquerer, wohlgemerkt mit historischen Kutschwagen ohne technische Neuerungen wie
Scheibenbremsen, gab einen Einblick in sein Lebenswerk und berichtete aus seinem 30-jährigen praktischen Erfahrungsschatz.
Den Schluss der Demonstrationen bildeten die Vorführungen eines Fünferzuges und einer Einhornanspannung.

Am Abend trafen sich die Mitglieder der Vereinigung zur ordentlichen Mitgliederversammlung und zu welcher natürlich auch die teilnehmenden Gäste recht herzlich eingeladen waren.
Im Ergebnis wurde das bisherige Präsidium einstimmig bestätigt. Das Symposium wurde am Samstagvormittag mit einem Grußwort des wieder gewählten Präsidenten Dietmar Schneider und des Bürgermeisters, der Gemeinde Bernried, Josef Steigenberger, welcher selber passionierter Gespannfahrer ist, eröffnet.
Im Eröffnungsreferat stellte der stellvertretende Landstallmeister des Haupt- und Landgestüt Schwaiganger, Herr Rasso Höck, die Eckpfeiler der Bayerischen Pferdezucht vor.
Schwaiganger wurde bereits im Jahre 955 n.Cr. erstmals erwähnt, der Besitzer war urkundlich ein Ungar. Der nächste Eigentümer war dann das Kloster Schlehdorf. Ab 1400 gehörte es zum Hofgut Graßlfing (FFB), Eigentum der Wittelsbacher, und war die Schwaige am Anger. Das Hornvieh wurde zur Alpung im Frühjahr von Graßlfing
nach Schwaiganger getrieben und im Herbst natürlich wieder zurück. Die Luftlinienentfernung dürfte ca. 80 km betragen.
Um 1750 wollte Karl Theodor der Wittelsbacher aus der Pfalz, Bayern an Österreich verkaufen. Aber eine vernünftige Wittelsbacherin, die Herzogin Anna, vereitelte diese schändliche Tat mit ihrer Geheimdiplomatie, dafür wurde sie in die Verbannung nach Schwaiganger geschickt. Diese rührige und weitsichtige Dame machte es sich dort
bequem und baute eine gemütliche Infrastruktur auf, man kann dies noch heute besichtigen.
Heute ist Schwaiganger ein Haupt- und Landgestüt, das bis 1945 für die Remontenzucht des Militärs zuständig war. Seit 1918 wird in Schwaiganger das Südd. Kaltblut zuchtbuchmäßig gezüchtet. Derzeit wird die Landespferdezucht mit Deckhengsten der Rassen Warmblut, Kaltblut und Haflinger versorgt. Ebenso werden aussterbende Nutztierrassen, wie das Werdenfelser Rind, in einer kleinen, aber ausreichenden Population gehalten.

Herr Breiholz folgte mit dem Vortrag:
„Das Kulturgut der besonderen Art, Kaltblutpferde, zum Arbeiten und Fahren“. Das Süddt. Kaltblut der Oberländer geht aus der Zuchtbasis, des norischen Pferdes hervor und wurde durch Einkreuzung verschiedener anderer Pferderassen zum heutigen Aussehen gezüchtet.

Erzbischof Graf Thun (1687-1709) von Salzburg , erließ 1688 die erste Zuchtordnung für die Rasse Pinzgauer (Noriker), man spricht von der Geburtsstunde des Norikers. Die zur Veränderung des Norikers zum Südd. Kaltblut (Oberländer) verwendeten Rassen waren zwischen 1800 und 1910 nachstehende Hengste:

  • 25 Orginal Norfolk Hengste
  • 50 Orginal Normänner Hengste
  • 24 Orginal Cyldesdaler Hengste
  • 15 Orginal Cleveländer Hengste
  • 58 Orginal Belgier/Brabanter Hengste


Die letzte Blutbeimischung war das Engl. Vollblut mit Mordskerl XX und z. Z. Oldenburger
Hengste.
Landstallmeister Schäffer (1906-1921) betrachtete den Einfluß des Oldenburger zur Oberländerzucht als sehr fragwürdig, außer es ist erheblich edles Blut im Pedigree. Das war ein kurzer Abriss der Zucht des Südd. Kaltbluts (Oberländer), als Einführung für die praktische Vorführung in Schwaiganger.

Nach der Kaffeepause eröffnet Johann Lefin den historischen 1. Teil über „die Geschichte der Streitwagen, DIN Normen bereits im alten Rom“?
Bereits ca. 1500 Jahre vor der Zeitwende, wurden pferdebespannte Streitwagen gebaut und benützt, und die dazu gehörigen Pferde, ausschließlich Hengste, ausgebildet. Die erste vorhandene Ausbildungsrichtlinie schrieb Kikkuli, ein Hurriter, im Auftrag des Königs der Hethiter. Diese Streitwagen hatten ein Gesamtgewicht von ca. 24 bis 30
Kilogramm, und hatten mit den heutigen Nachbauten für Schauzwecke nicht die geringste Ähnlichkeit.
Zur gleichen Zeit bestand in Ägypten bereits nachweislich eine sehr hohe Handwerkskunst im Wagenbau. Allein die Radherstellung mit 8 Speichen (aus 4 Stäben) zeugt von einem enormen Wissen um das Material und hohes fachliches Können. Bei der Herstellung dieser Wagen wurden 7 (sieben) verschiedene Hölzer verarbeitet, die aber
wiederum eingeführt werden mussten. Die Streitwagen wurden zerlegt zum Kriegsschauplatz gebracht und erst dort zusammen gebaut. Bedingt durch diese Tatsache, mussten die meisten Teile austauschbar gewesen sein, also alles hatte bereits eine Normung.
Die Griechen hatten sehr bald kein Interesse mehr daran, auf einem solchen Gerät in den Krieg zu ziehen und machten kurzerhand einen Sport daraus, der auch olympiareif war. Anscheinend waren die damaligen Griechen schon gute Buchmacher. Die Wettkämpfe wurden 2- und 4-spännig (Quadriga) ausgetragen. Das wichtigste Pferd war das rechte Pferd an der Deichsel. Über die Etrusker kam dieser Sport zu den Römern. Hier wurde
er bis zur Perfektion betrieben. Im Kriegsfall fanden diese hochtechnisierten Wagen bei
den Römern ebenfalls keinen Einsatz.
Nur die Kelten verwendeten noch Streitwagen. Diese waren jedoch erheblich schwerer, da die Felgen und zum Teil die Speichen bereits mit Eisen beschlagen waren. Auf der Stehfläche mussten außer dem Wagenlenker noch 2 Krieger Platz haben. Bei den Römern waren diese keltischen Streitwagen im Einsatz nicht sonderlich beliebt.
Wie immer beeindruckte der bekannte Kunsthistoriker und Kutschenexperte Dr. Andreas Furger aus der Schweiz, ehemals Direktor des Nationalmuseums Zürich, mit seinen Ausführungen die Zuhörer.
Er referierte über das interessante Thema „Equipage mit Stil, den richtigen Auftritt mit Kutschwagen gestern und heute“, Merkmale von Kutschwagentypen, Erkennung und Zuordnung und den richtige Auftritt. Herr Dr. Furger hat sein fundamentales Wissen auf diesem Gebiet in zwei hervorragenden Büchern publiziert.
Herr Dr. Furger verstand es, anhand der Karikaturen von Crafty (Victor Gèrvsez 1860-90), sehr anschaulich zu demonstrieren, wie ein Gespann aussehen soll, ohne dass es wie ein Faschingsauftritt wirkt oder aussieht wie des Zigeuners letzte Fahrt. Per Saldo ist zu sagen, dass Wagen, Pferde, Geschirr und Fahrer sowie Beifahrer ein harmonisches Bild abgeben sollten, ohne lächerlich zu wirken. Allein eine schlechte Körperhaltung des
Fahrers, sowie der Beifahrer, kann den guten Eindruck eines Gespannes zerstören.

Vor der Mittagspause berichtete der neue Gestütsdirektor des Bundesgestüts Piber, Dr. Dobretzberger, über den neuesten Stand der Lipizanerzucht von Piber und Wien. Er stelllte aber fest, dass ohne Austausch von Zuchtmaterial aus anderen Zuchtstätten, wie z. B. Lipiza, Ungarn und der Tschechischen Republik, die Zucht des Lipizaners auf längere Sicht eine Inzucht würde und verschiedene Stuten- und Hengststämme aussterben würden. Desweiteren informierte er darüber, dass die Hofreitschule in Wien und das Bundesgestüt Piper eine Stiftung geworden sind, die sich zu 100% im Besitz des Östereichischen Staates befindet. Nach zum Teil einschneidenden insbesondere personellen Verringerungen schreibt das Gestüt, das jährlich 80000 Besucher empfängt, keine roten Zahlen mehr.
Der Besuch des Lehr-, Versuchs- und Fachzentrums für Pferdehaltung mit Haupt und

Landgestüt Schwaiganger (LVFZ), so lautet der offizielle Titel, war ein Höhepunkt der Veranstaltung. Schwaiganger gehört zu Ohlstadt und liegt in der Voralpenregion Bayerns. Bei gutem Wetter sieht man den schneebedeckten Gipfel der Zugspitze.
Die Zuchtstätte hat eine lange Tradition, das zeigt das weitläufige Gebäudeensemble. Die Führung erfolgte durch den stellvertretenden Direktor Rasso Höck.
Die Aufgabe des LVSZ Schwaiganger ist die Förderung der bayerischen Pferdezucht und Haltung durch Züchtung und Bereitstellung hochwertiger Vatertiere, berufliche Weiterbildung, angewandte Forschung und Erprobung. Die Pferdezucht umfasst wie bereits ausgeführt die Rassen Warm- und Kaltblut sowie Haflinger. Der Zuchtbetrieb
erfolgt auch durch eine anerkannte EU-Besamungsstation. Es werden Stuten und Zugleistungsprüfungen durchgeführt. Hier befindet sich auch Bayerns einzige Hufbeschlagschule. Es besteht die Möglichkeit die Ausbildung zum Hufbeschlagschmied und zum Hufbeschlaglehrmeister zu absolvieren. Ferner werden
Weiterbildungsseminare für Pferdehalter Besamungsbeauftragte etc. durchgeführt.
Im Rahmen der angewandten Forschung werden u. a. Züchtungs- und Fütterungsversuche in Abstimmung mit Fachinstituten durchgeführt und neue Organisations- und Haltungsverfahren erprobt. In diesem Zusammenhang war die Information interessant, dass durch die Gewinnung von Trockensilage in dieser niederschlagsreichen
Alpenregion die Qualitative und quantitive Versorgung des Tierbestandes mit Raufutter vollständig aus eigenen Aufkommen gesichert werden kann. Seit dem Einsatz dieser Trockensilage sind auch die katarrhalischen Atemwegserkrankungen trotz Stroheinstreu fast völlig zurück gegangen.
Das LVSZ Schwaiganger verfügt über 450 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche und 300 Hektar Wald.
Den vielfältigen Aufgaben entsprechend wird ein umfangreicher Pferdebestand gehalten.

  Zuchthengste Mutterstuten Fohlen, Jungpferde und Wallache
Warmblut 35 25 200
Kaltblut 10 10 40
Haflinger 5 10 20

 

An betrieblichen Einrichtungen stehen 2 Reithallen, eine Besamungsstation, eine Deckstation, ein Dressurplatz sowie ein Paradeplatz zur Verfügung.
Im Bildungsangebot stehen auch Fahrkurse für 2- und 4-spänner einschließlich Fahrprüfungen sowie Lehrgänge im Holzrücken mit Pferden. Darüber wurden Praktische Vorführungen gezeigt.
Der Besuch endete mit der Besichtigung der umfangreichen Geschirrkammern und der Wagenremise.

Nach dem kühlen bzw. frischen Nachmittag freute man sich auf den weiteren Aufenthalt im Tagungshotel „Kaiserin Elisabeth“ in Feldafing.
Am Abend fand dann der Traditionelle Gesellschaftsabend statt, der umrahmt von bayerischer Zittermusik keine kulinarischen Wünsche offen lies. Dabei bot sich reichlich Gelegenheit zum fachlichen Gedankenaustausch.

Der Sonntag präsentierte sich bei frühlingshaften Wetter mit Sonnenschein und einmaliger Fernsicht. Die Besucher hatten Gelegenheit eine malerische Alpenlandschaft am Starnberger See zu erleben.
So wie das Wetter war auch die Qualität der gebotenen Vorträge. Es herrschte eine andächtige Stille im Auditorium und nach den Referaten entwickelten sich rege Diskussionen. Keiner der Teilnehmer verließ die Tagung vorzeitig.
Unser Mitglied Walter Heise, 1. Polizei Hauptkommissar a D. Dezernat Tätigkeitsschwerpunkt verkehrsüberwachung mit dem Thema „Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr mit Pferdegespannen im Spiegel vorhandener Verhaltens- und Ausrüstungsvorschriften“, überzeugte mit fundierten Kenntnissen im Verkehrsrecht. Er
blieb fachkundig assistiert von Gutachter Paul Wiegel keiner noch so spitzfindigen Frage die Antwort schuldig.
Herr Heise ist selbst aktiver Gespannfahrer, daher konnte er das Thema von zwei Seiten beleuchten, durch seine ausgezeichnete Rhetorik merkte niemand, dass die Zeit davon lief.
Dieser Vortrag war so allumfassend, dass die vorgegebene Zeit in keiner Weise ausreichte und dadurch der Vortrag von Paul Wiegel ausfallen musste. Dieser hochaktuelle Vortrag wird zu einem späterem Zeitpunkt nachgeholt.
Herr Heise gab zu bedenken, dass im Jahr 2006 durch Kutschenunfälle, 20 Tote und ca. 200 Verletzte zu beklagen waren.

Unser Präsidiumsmitglied Lenka Gotthardova, Landstallmeisterin des tschechischen Nationalgestüts Kladruby nad Laben und Sladinani, stellte ebenfalls sämtliche Neuigkeiten und Erfolge ihrer Tätigkeit in beiden Zuchtstätten vor. Durch ihre Initiative wurden die gestütseigen Veranstaltungen erheblich vermehrt. Die Auftritte bei der Equitana, sowie die guten sportlichen Erfolge, sind dem gutem Management zu verdanken.
Einen sehr interessanten Vortrag hörten wir von Prof. Dr. Gehards von der Universität München über „die Bedeutung der Sehfähigkeit bei Fahrpferden“.
Er hatte in einem eindrucksvollen, hervorragenden Vortrag herausgearbeitet, dass die Orientierung des Pferdes nicht nur visuell erfolgt, sondern ein komplexer Vorgang ist, an dem alle Sinneswahrnehmungen beteiligt sind. Der Vortrag informierte auch über Leistungen und Grenzen des Pferdeauges.
Nicht minder gelungen waren auch die Darlegungen von Herrn Dr. Wolfgang Nahr über: Die Möglichkeiten und Grenzen der Sedierung des Fahrpferdes vor und während des Einsatzes“. Obwohl diese Ruhigstellung der Pferde eine Art von Doping ist und im Sport geahndet wird, ist es bei Festzügen oder ähnlichen Veranstaltungen gang und gäbe. Der Gesetzgeber sanktioniert diese Ruhigstellung, wenn dadurch Menschen geschützt werden. Es wurden verschiedene Präparate vorgestellt, sowie deren Nebenwirkungen aufgezeigt. Darunter waren Präparate die zwar beruhigend wirken jedoch die Abwehrreflexe sensibilisieren, was unter Umständen sehr gefährlich werden kann.
Die anschließende Diskussion zeigte, dass dieses Thema nicht bloß sehr heikel ist, sondern auch tierschützerisch sehr fragwürdig ist.
Insgesamt war dieses Symposium eine hervorragende mit viel Beifall bedachte Veranstaltung, wofür unserem Vizepräsidenten Paul Wiegel ein herzliches Danke gebührt.
Das Schlusswort sprach auf seine unnachahmliche markante Weise unser Mitglied Oberpostdirektor a.D. Herr Dipl. Ing. Finke aus Nürnberg, was so manchen Teilnehmer nachdenklich stimmte.
Er vergab für die gelungene Veranstaltung die seltene Bestnote 10.

Dr. Wilfried Richter
Werner Trapp

 

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